Yucca, Cool Springs, Oatman, Topock – From The Desert To The Mountains

… und dann geht‘s in die Berge. So hatten wir das letzte Kapitel beendet. Tja, oder auch nicht. Jedenfalls nicht sofort. Denn da gibt es ja noch das Alignment nach und über Yucca. Diese Streckenführung geht auf das Jahr 1952 zurück. Eigentlich sollte die 66 schon zu Anfang auf diesem Weg Richtung Kalifornien führen, aber die Goldminen von Oatman sind zu verlockend, so dass man der schwierigeren Strecke durch die Berge den Vorzug gibt. Auch wenn die damaligen Schnauferl in den bergigen Serpentinen heftig zu ächzen haben. Als es mit Oatman bergab geht, entschließt man sich in besagtem Jahr 1952 die 66 durch die öde, aber eben flache Wüstengegend östlich und südlich um die Black Mountains herum zum Colorado zu führen. Womit die einzige halbwegs erwähnenswerte Ansiedlung an dieser Strecke – Yucca eben – einen unerwarteten Aufschwung nimmt. Vorher war hier nicht viel los.

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Okay, Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts, wie so oft. Wolfram-Funde in der Wüste, die aber auch nicht lange abgebaut wurden. Eine Autoteststrecke und eine Schießschule der Armee verhindern, dass Yucca zur Ghost Town wird. Als die 66 kommt, entstehen Motels, Tankstellen und Restaurants. Dann die Interstate und vorbei ist es mit den guten Jahren. Es ist immer wieder dieselbe Geschichte. Einige stumme Zeugen dieser Zeit kann man sich heute noch ansehen und das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Dazu müssen wir von Kingman aus die I-40 South nehmen und ihr bis zum Exit 26 folgen. Dort abfahren auf die Proving Ground Rd – die zur besagten Teststrecke führt. Unter der I-40 durch und gleich wieder rechts auf die Frontage Road. Dies ist jetzt ein Stück 1952er Route 66. Es sind nur vier 66 Überbleibsel, die es hier zu sehen gibt und sie folgen rechter Hand ganz dicht aufeinander. Die Ruinen eines alten Cafés und eines Motels, sowie die rostigen Schilder einer ehemaligen Whiting Brothers Tankstelle und ein weiteres Motelschild. Das war‘s dann auch schon. Die Gebäude sind zugänglich, man kann sich drinnen ein bisschen gruseln. Hinter Yucca ist Schluss mit der 66. Weiterfahren kann man nur auf der I-40.

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Möge jeder selbst entscheiden, ob diese Ausbeute den 30 Kilometer Trip von Kingman hierher wert ist. Der Vollständigkeit halber, soll Yucca und sein 1952er Alignment aber erwähnt werden.

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Zurück also nach Kingman bzw. zur Oatman Road, die als Highway 10 fast schnurgerade auf die Berge zuführt. Viel gibt es erst einmal nicht zu sehen hier, außer einem fast verrottetem Holzschild am Straßenrand, auf dem man gerade noch Get your Ki erkennen kann. Den Rest der Kicks on Route 66 hat der Zahn der Zeit zerfressen. Ein Esel ist daneben aufgemalt, ein Hinweis auf das Getier, das uns später erwartet.

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Cool Springs heißt die inzwischen restaurierte Tankstelle, die uns ein paar Minuten später auf der rechten Seite der Straße erwartet. Das Gebäude liegt bis 2001 in Trümmern, dann erbarmt sich Ned Leuchtner, ein Makler aus Chicago des Objekts. Drei Jahre benötigt er, um Cool Springs komplett zu renovieren und zu einem Schmuckstück an der Route 66 zu machen. Erbaut wird die Tankstelle, mit angeschlossenem Café und Cabins zum Übernachten, in den 1920er Jahren. Auch hier die gleiche Geschichte: Solange der Route 66 Verkehr unterwegs ist, ist alles gut. 1952 wird die Streckenführung via Yucca verlegt. Noch 10 Jahre hält sich Cool Springs, dann wird es geschlossen und verfällt. Heute ist die Station ein sehr beliebter Stopp bei Harley-Fahrern. Noch jedes Mal, wenn wir dort waren, standen die Maschinen vor der Tür. Ein schönes Fotomotiv ist das allemal. Tanken kann man übrigens dort nicht.

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Nicht weit ist es bis zu Ed‘s Camp. Das Ganze gleicht heute eher einem Schrottplatz, als einem Ort, der einstmals Tankstelle, Motel und das Kactus Kafe beherbergte. Ed Edgerton erbaut sein Camp im Jahre 1920, also noch bevor die Route 66 die öde Gegend mit Leben erfüllt. Es ist nicht viel geblieben, ein Gelände voller Schrott der verschiedensten Art, das baufällige Hauptgebäude, und das ebenso verfallene Kactus Kafe. Aber an der Straße steht ein Briefkasten. Irgendwer kümmert sich scheinbar um das Gelände, gewährt aber niemandem Zutritt. No Trespassing. Ist auch verständlich, es handelt sich schließlich um privates Land und wer möchte schon gern Touristen auf seinem Besitz herum stiefeln sehen.

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Jetzt wird die Straße steiler und enger. Es erwartet uns der höchste Punkt der Strecke: Sitgreaves Pass. Spätestens hier an der Passhöhe auf 3350 Fuß Meereshöhe, sollte man anhalten und die großartige Aussicht über die Black Mountains genießen. Bei klarer Sicht reicht der Blick bis nach Bullhead City und Laughlin, Nevada. Wer sich einige Schritte von der Passhöhe entfernt, wird sich über eine ganze Reihe von Grabkreuzen wundern, die dort in der Felswüste stehen. Es handelt sich dabei nicht um echte Gräber, die Kreuze dienen als Memorials an die Verstorbenen, deren Asche hier oben in alle Winde verstreut worden sind.

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Wir nähern uns Oatman. Schon stehen die ersten Burros, wie man die berühmten Esel hier nennt, auf der Straße herum. Sie lassen sich von Jeeps, Corvettes und Harleys in keiner Weise stören – im Gegenteil, sie können recht zutraulich werden, wenn sie die Chance auf Fütterung wittern. Die Tiere sind wild lebende Nachkommen der von den Pionieren Oatmans dereinst, nach getaner Arbeit, frei gelassenen Lastesel, die bei der Besiedlung des Ortes von großem Nutzen gewesen sein dürften.

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Da sind wir also in der Western-Stadt die beinahe mal zu einer Ghost Town abgestiegen wäre, wenn es nicht die wieder geborene Route 66 und die nahen Spielcasinos in Nevada gegeben hätte. Und die Goldminen natürlich. Denn die sind der eigentliche Grund, warum Oatman einstmals eine blühende Stadt war.

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Und das kam so: Der alte Johnny Moss, seines Zeichens Goldsucher in den besten Tagen des Wilden Westens, landet, aus welchen Gründen auch immer, im Jahr 1860 in den Black Mountains und steckt seinen Claim ab. Und noch einen zweiten dazu, den er nach Olive Oatman, der Tochter einer von den Indianern hingemachten Mormonenfamilie benennt. Olive überlebt, wird aber von den Rothäuten versklavt und lebt gute fünf Jahre als Weiße unter Apachen. Ihre Geschichte geht noch weiter, aber das würde jetzt den Rahmen sprengen. Auf jeden Fall ist Olive Oatman die unfreiwillige Namensgeberin der in der Folge aufblühenden Siedlung in den Bergen Arizonas. Den Jackpot knacken zwei Goldsucher im Jahr 1914, als sie Gold im Wert von 14 Millionen US Dollars zu Tage fördern. Was zu einem weiteren Boom in der kleinen Stadt führt. Sieben Jahre später brennt Oatman fast komplett ab, wird aber wieder aufgebaut. So haben sie es immer gemacht damals. Nicht nur in Oatman. Dann kommt die 66 und durch sie kommen außer Goldsuchern auch andere Besucher in die Stadt. In der Folge entstehen Hotels, Läden, Tankstellen. Die Goldsucherei wird von Minengesellschaften bis in die 1940er Jahre fortgeführt, dann kommt WWII und Schluss ist es. Für eine längere Zeit, denn erst im Jahr 1995 wird die Gold Road Mine wieder in Betrieb genommen, drei Jahre später wegen fallender Goldpreise wieder geschlossen, nur um im Jahr 2007 ein weiteres Mal in Produktion zu gehen. Und so ist es noch heute. Die Minen liegen gleich hinter bzw. vor Oatman, je nachdem aus welcher Richtung man kommt, auf dem Weg zur Passhöhe.

Zurück in die Gegenwart. Oatman ist eine Touristenattraktion, die Stadt, bzw. die regionale Chamber of Commerce, tut was dafür. Zweimal am Tag rauchen die Colts – Piff Paff Puff und schon liegt ein Westernheld im Staub. Zur Freude der Oatman-Besucher natürlich, die begeistert Beifall klatschen. Die Esel sehen‘s mit Gelassenheit. Die Straße ist voll mit Autos, also parkt man am besten vorne an den Ortseingängen, da findet sich meistens noch was. Souvenirläden reihen sich aneinander. Künstler haben sich niedergelassen und bitten in ihre Galerien. Im Postamt gibt‘s Sonderstempel. Alles da also für Western-Fans. Virginia City – Tombstone – Oatman. Man reiht sich ein in das, was der Western-Liebhaber sich von einem solchen Ort erwünscht. Aber auch die Route 66 Touristen kommen an Oatman nicht vorbei. Wie auch, die Straße führt ja geradewegs mitten hindurch. Also hält hier jede Harley-Gruppe, jeder Tourbus und natürlich auch der Individual-Reisende.

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Ach ja, da ist ja noch das Oatman Hotel, ein historischer Adobe-Bau direkt an der Main Street. Der eifrige Leser dieses Beitrags erinnert sich vielleicht noch an Clark Gable, der mal im Boots Court Motel in Carthage, Missouri geschlafen hat. Hier: klick. In Oatman hat er auch geschlafen, in eben jenem Oatman Hotel. Und nicht mal allein, denn er und seine frisch Angetraute Carole Lombard, damals berühmte Hollywood-Legende, verbringen hier im Jahr 1939 ihre Flitterwochen. Leider kommt Carole drei Jahre später bei einem Flugzeugabsturz in Nevada ums Leben. Da war sie gerade mal 33. Den Stern in Hollywoods Walk of Fame hat sie aber sicher. Clark Gable selber soll Oatman und das Hotel später immer wieder besucht haben. Unter anderem zum Pokern mit den Minenarbeitern. Gründe genug also, das Hotel als historischen Ort zu präsentieren und zu vermarkten, soweit das mit dem recht herunter gekommenen Bau möglich ist. Er soll jetzt renoviert und vielleicht bald wieder für Übernachtungen geöffnet werden. Momentan kann man in der mit Dollarscheinen zugepflasterten Bar sein Bier oder seinen Hamburger genießen. In echter 30er Jahre Atmosphäre. Eine kleine Gedenktafel im Eingangsbereich des Hotels erinnert an die Clark Gable Geschichte. Und? Ob das wirklich so war damals? Wohl eher nicht, aber die Geschichte ist doch so schön romantisch. Und das zählt, oder?

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Oatman bietet ein buntes Bild, mit all dem Kram und Krempel in den Shops, den Eseln, den kostümierten Western Helden, den Harleys vor dem Hotel, dem Bettgestell und dem Schaukelstuhl auf dem Dach. Und über allem thront der Elefantenzahn, der Elephant Tooth, eine Bergspitze, die von der Form her, ihren Namen durchaus verdient hat.

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Am anderen Ende des Ortes ist die Schrift auf dem Welcome to Oatman – Billboard, das einen Schritt in die Vergangenheit verheißt, schon ziemlich abgeblättert und gleichzeitig die Attraktionen Oatmans in Form von Souvenirläden und den freilaufenden Eseln anpreist. Have a great day steht auch noch drauf, gehört sich schließlich so.

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Der Highway 10 alias Route 66 wendet sich ausgangs der Black Mountains als Oatman Topock Highway nach Süden. Die Gegend wird öder, wüstenhafter. Bis wir schließlich Golden Shores und Topock erreichen, die beiden letzten Orte an der Route 66 in Arizona. Wer zurück schaut, sieht zwei Schilder am Straßenrand, die den Begin Historic Route 66 ankündigen, was SO natürlich nicht ganz richtig ist. Golden Shores ist ein ziemlich plattes Wohngebiet, kaum ein Mensch auf der Straße, nichts wirklich Sehenswertes, es sei denn, man hat was übrig für‘s Karge.

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In Topock verrostet ein altes Silo in der Sonne, nicht zu übersehen rechts an der Straße. Eine Serie von Burma Shave Schildern weist den Weg zur Topock Bay, wo man vom Parkplatz aus einen schönen Blick auf‘s Gewässer hat. Ein buntbemalter Route 66 Truck macht Werbung für den Ort „where the Colorado River meets the Mother Road“. Drei Brücken überspannen den Fluss, der hier die Grenze zu Kalifornien bildet. Die Eisenbahnbrücke der Santa Fe Railroad aus dem Jahr 1945, die I-40 Brücke daneben stammt aus dem Jahr 1966 und diese müssen wir nehmen, um den Colorado zu überqueren. Brücke Nummer drei ist die Trails Arch Bridge, die schon 1916 erbaut wurde. Durch ihre leichte Konstruktion kann sie aber nicht mehr als elf Tonnen tragen, was 1947 zu ihrer Außerdienststellung führt. Aber sie ist noch da und trägt heute Gas und Heizungsrohre über den Fluss. Auch diese Brücke hatte einen kurzen Auftritt in John Steinbecks „Grapes of Wrath – Früchte des Zorns“.

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Womit wir die letzten Meilen der Arizona Route 66 hinter uns hätten. Vor uns liegt das gelobte Land – Kalifornien. Aber zuerst kommt die Wüste.

 

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