Der Verlauf der Route 66 durch Holbrook ist leicht zu finden. Vom Exit 289 verläuft sie als BL40 bzw. Navajo Boulevard in südwestlicher Richtung und passiert dabei zuerst den neueren, moderneren Teil der Stadt.
Scotty & Son Auto Repair ist ist hübsch aufgemacht, Murals inklusive. Sieht gar nicht, wie eine Reparaturwerkstatt aus … Abby‘ s Gas Mart hat schon bessere Zeiten gesehen, aber bei Elsa kann man sich wohl noch die Haare schneiden lassen. Hinterm Zaun eine Tankstellenruine, von der die letzten Farbreste abblättern.
Wer gerne ein bisschen Wildwest-Saloon Atmosphäre schnuppern möchte, der kann ja mal im Empty Pockets Saloon hier am Navajo Boulevard vorbei schauen. „The coldest draft beer in Holbrook“. Ob man danach mit leeren Taschen die Szene verlässt? Alternativ gibt‘s Italienisches im Mesa Restaurant.
Ein paar Motels aus alten Zeiten (Sandman, Sahara) versuchen vergeblich gegen die Konkurrenz der Motelketten, die hier vollständig vertreten sind, zu bestehen. Wer Hotelpunkte sammeln will, findet das komplette Angebot. Wobei man als Route 66 Interessierter anderswo in Holbrook übernachten sollte. Dazu gibt es zwei empfehlenswerte Möglichkeiten, die beide ihren Charme haben.
Am bekanntesten unter 66 Roadies ist sicher das Wigwam Motel. „Have you slept in a Wigwam lately?“ Die originelle Frage ziert das in grünen Lettern gehaltene, sehr auffällige Neonschild des Motels. Zwei dieser Wigwam Motels gibt es noch an der Route 66, das andere befindet sich in Rialto, San Bernardino. Insgesamt werden sieben Wigwam Villages zwischen 1933 und 1950 in den USA erbaut, fünf davon sind längst wieder geschlossen. Ihr Erfinder, Frank A. Redford hat das Konzept im Jahr 1935 sogar zum Patent angemeldet.
Die beiden noch existierenden 66 Wigwams finden als Cozy Cone Motels Eingang in den schon oft erwähnten Disney/Pixar Route 66 Animationsfilm „Cars“. Das Wigwam in Holbrook befindet sich seit seiner Errichtung im Jahr 1950 im Besitz der Familie Lewis. Chester E. Lewis konstruiert das Motel nach Originalplänen und unter der Lizenz von Frank A. Redford und eröffnet es im Mai 1950. Sleeping in a Wigwam ist sehr beliebt unter den Route 66 Reisenden, deshalb empfiehlt es sich, rechtzeitig zu buchen. Das Motel hat eine Website mit den Kontaktdaten. Wer es nicht geschafft hat, ein Zimmer zu bekommen, sollte sich nicht scheuen, das Gelände in Ruhe und am besten mit einer Kamera bewaffnet, zu inspizieren. Vor jedem Wigwam steht ein Autoklassiker. Zwei weitere haben ihren Platz an der Motelauffahrt.
Gleich schräg gegenüber findet ihr die Übernachtungsalternative. Die Globetrotter Lodge. Peter Hoeller und seine Familie bauen das Motel nach und nach und Zimmer für Zimmer wieder auf. Für uns die beste Adresse in Holbrook.
Zurück zum Verlauf der 66 durch die Stadt: Wir folgen dem Navajo Boulevard und queren kurz vor Downtown die I-40. Jetzt befinden wir uns im älteren Teil Holbrooks. Weiter geradeaus bis zur Abzweigung West Hopi Drive. Hier rechts abbiegen. Nach einigen hundert Metern erreichen wir die beiden oben erwähnten Motels. Der Route 66 verlässt die Stadt als Hopi Drive in westlicher Richtung und erreicht am Exit 285 wieder die Interstate.
Aber noch sind wir nicht fertig mit Holbrook. Es gibt noch einiges zu sehen in dieser Stadt, deren Geschichte manch blutgetränkte Episode aufzuweisen hat.
Los ging‘s in Holbrook, wie fast immer im Wilden Westen, mit dem Bau der Eisenbahn. Wir schreiben das Jahr 1881, als die Atlantic and Pacific Railroad ihre Schienen durch diese Gegend verlegt. Chefingenieur ist ein gewisser H.R. Holbrook, nach dem die Siedlung benannt wird. Es entwickelt sich eine der typischen Wildwest Städte. Eisenbahnarbeiter, Viehzüchter, Cowboys, „Painted Ladies“ … ein gefährliches Gebräu, das prompt zum totalen, gesetzlosen Chaos führt. Einer der vielen Saloons nennt sich bezeichnenderweise „A Bucket of Blood“. Trotzdem entwickelt sich die Stadt, dank der Eisenbahn, zu einem Handelszentrum für Vieh und Schafwolle. Schon 1884 erscheint mit der „Holbrook Times“ die erste Zeitung. Das Unglück beginnt mit dem Erscheinen der Aztec Land and Cattle Company, damals die drittgrößte Viehhandelsgesellschaft des Landes. Besser bekannt wird sie unter dem Namen „Hashknife Outfit“ weil deren Markenzeichen einem „Hashknife“ ähnelt. Das ist ein spezielles Messer, das von den Köchen der Planwagenkarawanen gern benutzt wird. Die Gesellschaft beschäftigt hunderte von Cowboys, fast alle ehemalige Outlaws, die ihrem schlechten Ruf auch in Holbrook mehr als gerecht werden. Überfälle auf Postkutschen und Züge sind an der Tagesordnung. Schießereien jede Menge, allein 1886 lassen 26 Schießwütige ihr Leben in Holbrooks Straßen. Bei einer Einwohnerzahl von knapp 250! Die Cowboys der Hashknives gegen die kleinen Rancher – so ist die Ausgangslage. Das Ganze setzt sich weiter fort und es dauert noch viele Jahre, bis in Holbrook Ruhe einkehrt. 1895 wird die Stadt sogar County Seat, drei Jahre später wird das Courthouse erbaut, das heute das Visitor Center und ein Museum beherbergt.
Erst als die Route 66 ihren Weg durch Holbrook findet, beruhigt sich das Ganze. In den 1950er Jahren trägt der Tourismus zu besserem Leben in Holbrook bei. Trading Posts, Motels, Tankstellen, das bekannte Gemisch aus Route 66 Betrieben entsteht auch in der ehemals so wilden Westernstadt.
Heute leben etwa 5000 Menschen hier. Und auch heute noch ist Holbrook für viele USA Reisende Ausgangspunkt zu den Schönheiten des Westens. Vor allem natürlich zum nahe gelegenen Petrified Forest National Park.
Zurück also in die Gegenwart. Zurück zum West Hopi Drive in Holbrook. Hier hat die Route 66 einiges zu bieten. Wer sich die Zeit nimmt, das Stück Straße in ein paar mal auf und ab zu fahren, dem begegnen einige schöne Motelneons (Holbrook Inn, Desert Inn, Roseway Inn und Plainsman Restaurant), dazu weitere kleine Route 66 Businesses in Form von Auto & Tire Shops (selbst Volkswagen ist vertreten), Barber Shops, Murals, (nahe Romo‘s Restaurant und bei Joe & Aggie‘s Cafe). Am besten, man erkundet die Stadt in langsamer Fahrt und mit offenen Augen… oder zu Fuß, wenn man die Zeit dazu hat.
Danach empfehlen wir eine kleine Stärkung in Joe & Aggie‘s Cafe, einem „Landmark“ an der 66. Die Atmosphäre könnte man als „urig“ bezeichnen, viel dürfte sich nicht verändert haben seit den alten 66 Zeiten. Das Essen ist gut, die Bedienung sehr nett, und die Einheimischen sind ebenfalls zugegen. Das Café geht auf das Jahr 1943 zurück, als es von Jesus „Joe“ Montano und dessen Ehefrau Augustina „Aggie“ ins Leben gerufen wird. Es wird sehr schnell zum Renner wegen des guten mexikanischen Essens. Seitdem ist es im Besitz der Familie, Tochter Alice und ihr Mann Stanley übernehmen das Ruder. Alice stirbt im Jahr 2012, seitdem kümmern sich ihre Kinder Steven, Kim, Troy und Sharlene um das Geschäft. Ein Auszug aus dem Nachruf auf Alice: „She was a woman who loved to spend time at the casino, the beauty shop, and knocking down pins at the bowling alley. She was a very good dancer and enjoyed dancing with her husband. She loved everyone and everyone loved her.“
Wenn es dunkel wird in Holbrook steuern wir noch einmal das Wigwam Motel an. Nachtaufnahmen dort machen sich ganz gut. Und gegenüber liegt eh unser Übernachtungsdomizil, die Globetrotter Lodge.
Update Holbrook:
Leider haben Peter Höller und seine Familie Holbrook inzwischen wieder verlassen. Die Globetrotter Lodge wurde wohl verkauft. Wir wissen nicht, ob sie mit neuem Eigentümer (Stand Dezember 2020) in Betrieb ist.