Wir reißen uns jetzt los von Tucumcari und machen uns auf den Weg über ein weiteres interessantes Route 66 Stück. Ein Ghost Town Stretch. Die Straße ist etwas holprig, aber das sollte uns nicht daran hindern. Natürlich gibt es auch eine leichtere Version und die geht so: Der BL40/66 folgen bis zur Interstate Auffahrt 329. Über die I40 bis zum Exit 311 (Montoya). Aber das ist langweilig. Wir nehmen das alte Alignment nach Montoya. Aber auch dazu müssen wir zuerst auf die Interstate, aber nur bis zum Exit 321. Also nur acht Meilen. Dort fahren wir raus und überqueren die I-40 nach links. Hier stehen die Überreste einer ehemaligen Stuckey-Shell Tankstelle. Das dazugehörende Geschäftsgebäude liegt völlig in Trümmern.
Diese Tankstellen, bzw. Rastanlagen haben eine Geschichte. Angefangen hat es mit dem Verkauf von Pecan-Nüssen am Straßenrand durch W.S. Stuckey und seine Frau Ethyl. Wir sind in den mittleren 1930er Jahren. Das Geschäft, mit dem die beiden im Süden der USA anfangen, blüht. Der erste Store eröffnet in Eastman, Georgia. Einige mehr in den nächsten Jahren. Dann kommt WWII, Stuckey muss alle Shops schließen, bis auf das Stammhaus in Georgia. Nach dem Krieg geht‘s mit Candy Shops weiter, die Nation ist wieder „on the road“. Die Candies werden nach einem bis heute geheimen Rezept hergestellt und sind ein Verkaufsschlager. Es entsteht eine Tankstellen-und Restaurantkette, in den besten Zeiten – das sind die 1960er Jahre – kann man sich an über 350 Stuckey‘s mit Benzin und Nahrung, vor allem mit den inzwischen berühmten Nuss-Candies versorgen. In den 1970ern wird die Kette von IC Industries übernommen, viele Geschäfte werden verkauft. 1985 sind „nationwide“ noch 80 übrig geblieben, die von Bill Stuckey, dem Sohn des Gründers, zurück gekauft werden. Es gibt sie bis heute unter dem Namen Stuckey‘s Express Stop meist in Verbindung mit einem Dairy Queen und Tankstellen. In 19 Staaten und über 200 Stuckey‘s sind die Candies wieder erhältlich, allerdings hauptsächlich im Osten und Süden. Hier an der Route 66 zeugen mancherorts nur noch langsam verfallende Überreste vom ehemaligen Candy-Imperium.
Zurück zu unserer Historic 66. Nach ein paar Metern knickt die alte Straße, die wieder Frontage Road heißt, nach rechts ab. Nach ca. sechs Meilen geht‘s rechts durch einen engen, manchmal, nach Regen, etwas schlammigen Tunnel wieder unter der I-40 durch.
Nach weiteren fünf Meilen auf der jetzt nördlich der Interstate verlaufenden 66 erreichen wir Montoya, eine weitere Ghost Town. Ein paar Ruinen am Rande der Straße, die auffälligste mit der Beschriftung Cold Beer dürfte einmal eine Tankstelle gewesen sein.
Nächster Stopp ist Newkirk, ein paar Meilen die Straße runter. Auch hier nichts als Ruinen. Eine davon ist Carlos Place, eine ehemalige Bar mit Shamrock Tankstelle davor. Man kann heute noch die die kleine Insel, auf der die Zapfsäulen standen, erkennen. Dahinter die Überreste des kleinen „Kassenhäuschens“. Man kann rein gehen bei Carlos. Aber Vorsicht, tretet nicht in alte Bretter mit Nägeln drin und in ähnliche Widrigkeiten. Klapperschlangen fühlen sich dort sicher auch sehr wohl.
Wilkersons ist das auffälligste Gebäude in dieser Ansammlung von Verfall. Ein ehemaliger General Store, ebenfalls mit Tankstelle, diesmal Gulf. Bis 1989 hat der Betrieb hier durchgehalten. Dann kommt das Aus. „We just didn‘t have business.“ sagt Duane Wilkerson, der Sohn des Geschäftsgründers, der selbst noch im Store gearbeitet hat.
Der alte Adobe Bau verfällt von Jahr zu Jahr immer mehr. Wer weiß, wie lange der Wilkersons – Schriftzug an der Vorderfront noch zu sehen sein wird.
Gleich daneben ein kleines Gebäude, auf dessen Fenster Figural Bottles gemalt ist. Wahrscheinlich ein ehemaliger Antikladen. Und schließlich das frühere Post Office, auch hier mit Tankstelle – es gab allein in Newkirk vier Service Stations zur Glanzzeit der 66.
Ein kleines Stück weiter das moderne Newkirk, bestehend aus einem Post Office und einer Tankstelle Newkirk Service and Gas.
Wir fahren weiter auf der Frontage. Tucumcari Tonite und Russell‘s – die Billboards am Straßenrand. Rechts begleiten uns schon seit einiger Zeit Bahngleise. Das bleibt auch so, bis wir Cuervo erreichen, die nächste Ghost Town auf diesem Abschnitt.
Ein paar Leute leben noch hier und in der Umgebung, kaum mehr als 50. Das auffälligste Gebäude in Cuervo ist die katholische Kirche, erbaut Mitte der 1910er Jahre. Sie ist noch gut intakt, im Gegensatz zu vielen anderen Gebäuden ringsum.
Da die Interstate Cuervo in zwei Teile zerschnitten hat, muss man durch die Unterführung auf die andere Seite, um zur Kirche zu gelangen. Die Ghost Town ist ziemlich verrufen, um es vorsichtig auszudrücken. Empfehlenswert ist der Besuch eher nicht. Vor allem die verlassene Baptistenkirche, die einmal eine Scheune war, sollte man unbedingt meiden!
Ein paar Zitate von Cuervo Besuchern: „We stopped and did a bit of exploring in Cuervo during a road trip in 2010. We didn’t hang around very long due to a very uneasy vibe we were picking up on. Sounds like the vibe was correct!“
„I’ve heard from several people that they’ve always felt an uneasy vibe in Cuervo. Let me just say that you wouldn’t need to be real sensitive to your surroundings to get uneasy these days.“
„Cuervo is pretty strange, huh? I wouldn’t say New Mexico is a creepy state on the whole, but that stretch between Santa Rosa and Tucumcari…yeah, *that’s* creepy.“
Cuervo – spanisch für Rabe – hat also einen sehr zweifelhaften Ruf und es gibt viele, die sich hier nicht sicher fühlen und dies auch in solchen Kommentaren, wie oben zu lesen, zum Ausdruck gebracht haben. Und wir wissen, dass wirklich was dran ist.
Zurück auf der anderen Seite der Interstate passieren wir noch ein paar weitere teils verfallene Gebäude, Autowracks, Bauschutt, Schrott, ein verblasstes Billboard. Alles direkt neben der verkehrsreichen Interstate. Ein seltsamer, bizarrer Ort. Durchfahren reicht.
Ein Stück weiter sorgen die bunten Billboards des Rockabilly on the Road Festivals für bessere Stimmung.
In der Gegend um Newkirk gibt es ebenfalls alte, schwer zugängliche 66 Alignments. Wir waren auch dort zu Fuß unterwegs. Hier könnt Ihr unseren Weg dorthin bis zur eingestürzten Newkirk Bridge verfolgen.
Insgesamt ein interessanter Route 66 Abschnitt, aber auch ein deprimierender. Der Verfall, die Ruinen der alten Häuser und Tankstellen, die fast schon unheimliche Stimmung an einigen Stellen, die Menschenleere – wer hier in der Dämmerung oder bei Dunkelheit unterwegs ist, wird sich einer Gänsehaut kaum erwehren können. Die Route 66 hat viele Gesichter.