Getreidesilos und Cattle Lots, in denen hunderte, tausende Rinder ihrem Steakdasein entgegen dümpeln, begleiten uns auf dem Weg zu unserem nächsten Stopp in Vega. Wir passieren Bushland und Wildorado – an manchen Stellen empfiehlt es sich, die Seitenfenster zu schließen. Die 66 klebt als North Frontage weiterhin direkt an der I-40. In Wildorado ein verlassenes Restaurant mit Tankstelle, die noch Ricky‘s Towing Service ankündigt, ein großes Billboard stimmt auf Santa Rosa und sein Blue Hole ein. Grain Elevators, Getreidesilos.
Vega, ein kleines Nest von gerade einmal 1000 Einwohnern hat es trotzdem zum County Seat und damit auch zu einem Court House gebracht. Direkt neben dem Courthouse halten wir an einer weiteren, schön restaurierten Tankstelle. Die Magnolia Station liegt an der Ecke Main Street/Coke Street, zwei Blocks nördlich der Route 66, die wir an der Kreuzung Main Street nach rechts verlassen.
Die Tankstelle wird im Jahr 1924 erbaut, also zwei Jahre bevor die Route 66 ins Leben gerufen wird. Das zweistöckige Gebäude, mit den Wohnräumen im oberen Stockwerk, ist von der Stadt Vega erworben und wieder in den Stand der 1930er Jahre versetzt worden. Bis 1953 ist die Tankstelle in Betrieb, danach dient sie bis 1965 als Friseurladen. Dann beginnt der Dornröschenschlaf, aus dem das kleine Gebäude erst nach Jahrzehnten wieder erweckt wird. Heute bekommt die Station recht viel Besuch von den 66 Roadies, ist sie doch die Hauptattraktion dieses verschlafenen Städtchens.
Eine kleine Rundfahrt durch Vega lohnt sich, wir bewegen uns auf älteren Alignments der 66, wenn wir durch die Stadt fahren. Sie sind bestens ausgeschildert. Das Vega Motel, das im Jahr 1947 als Vega Court seine Pforten öffnet, ist eines der wenigen architektonisch noch intakten Route 66 Motels im texanischen Panhandle. Leider ist es nicht mehr in Betrieb, obwohl es sich einen Platz auf dem National Register of Historic Places ergattert hat.
Auch für die Freunde von Murals hat Vega etwas zu bieten. Wir haben drei gefunden: schräg gegenüber der Magnolia Station das Mural der Boxwell Brothers, einem Funeral Home, ein Stück weiter, gleich unterm Wasserturm, der gelb und rund in den Himmel ragt, die Wand der Crazy Horse Boutique und dieses hier mit einer Wild West Szene, ebenfalls gleich um die Ecke von der Magnolia Station.
Der Boot Hill Saloon an der Ecke 66 and Main ist seit 2015 geschlossen, auch hier reicht der Umsatz mit der einheimischen Bevölkerung nicht mehr aus. Und 66 Touristen werden sich eher selten in einen echten texanischen Saloon verirren.
Dot‘s Mini Museum ist auch noch einen kurzen Besuch wert. Von der Main Street links auf die Davis Street, dann wieder links auf die North12th. Man kann auch „unten rum“ über die West Main fahren, bleibt sich gleich, das alles ist recht übersichtlich durch die typische Einteilung der Straßen in Blocks.
Wir schreiben das Jahr 1944 als Harold und Dot Levitt auf die Idee kommen, ein Freezer Lockers Business zu eröffnen. Damals sind Kühlschränke und vor allem Kühlboxen ziemlich rar. Also verfrachten die beiden frisches Obst, Getränke aller Art, Fleisch, Gemüse etc. in „gekühlte Schließfächer“, aus denen sich die Route 66 Kundschaft Reiseproviant entnehmen kann. Auch dieses Geschäft ist mit dem Verschwinden der 66 dem Untergang geweiht, doch Dot macht das beste draus und verwandelt das alles in ein kleines Museum, voll mit Memorabilien, Raritäten, Sammlungen aus den guten Tagen der 66. Inzwischen ist Dot verstorben, aber ihre Tochter Betty erhält das Mini Museum und erweitert es sogar um ein kleines Cowboy Museum und einen Boot Tree.
Und natürlich hat auch hier Roamin‘ Rich seine Spuren in Form seiner uns inzwischen bekannten Route 66 Shields hinterlassen.
Hier noch ein paar weitere Eindrücke aus diesem verschlafenen Städtchen.
Und jetzt machen wir uns auf den letzten Abschnitt der ersten Hälfte. Nach Adrian, wo wir den Midpoint der Route 66 erreichen. Immer an der I-40 entlang, auf der uns ja wohl bekannten BL40/North Frontage Road sind es gut 13 Meilen bis dorthin.
Genauer gesagt, liegt der „Mittelstrich“ direkt vor dem Midpoint Cafe. Und hier steht das berühmte Schild. 1139 Meilen nach Los Angeles – nach links und 1139 Meilen nach Chicago – nach rechts.
Im Midpoint Cafe muss man den Kuchen probieren. Die Ugly Crust Pies des Cafés haben an der 66 Berühmtheit erlangt. Homemade natürlich, von Jo Ann Harwell, die auch heute noch am Ofen steht. Die jetzigen Besitzer, Dennis und Donna Purschwitz führen die Tradition natürlich fort, die Jo Ann‘s Großmutter begründet und an ihre Enkelin weiter gegeben hat.
Das Café wird im Jahr 1928 erbaut, also kurz nach der Eröffnung der Route 66. Damals ein ziemlich schmuddeliger Laden namens Zella`s, mit nur einem Raum und Lehmfußboden. Das ändert sich mit den neuen Besitzern, Dub Edmonds und Jess Fincher, die es modernisieren und zu einem häufig frequentierten Rastplatz an der 66 machen. Jess‘s Cafe, wie es damals heißt, ist rund um die Uhr geöffnet. Nach mehreren Besitzerwechseln sind die guten Zeiten mit dem Bau der Interstate vorbei, wie bei so vielen Betrieben entlang der 66.
1991 übernimmt Fran Houser das Café und den Souvenirladen. Damals heißt es noch Adrian Cafe. Vier Jahre später erst, wird Fran darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Café exakt am Midpoint der 66 liegt und eine Namensänderung sicher von Vorteil wäre.
Fran, die übrigens mitsamt ihrem Café im Pixar-Disney Film Cars Vorbild für Flo und ihr Flo‘s V8-Cafe ist, verkauft das Midpoint 2012 an Dennis und Donna, die seitdem das Geschäft mit großem Engagement weiterführen. Ein Must Stop an der Route 66.
Fran selbst hat den direkt nebenan gelegenen Gift Shop übernommen. Der, vor dessen Tür der Ford Pick-up mit den hunderten von Unterschriften steht. Augen hat er auch – der Pick-up.
Das Schild gegenüber ist natürlich DAS Fotomotiv eines jeden 66 Travellers. Für Einzelreisende: man kann die Kamera auf einem extra dafür vorgesehenen Pfosten ablegen, Selbstauslöser an, geschwinden Schrittes hinter das Schild und schon ist das Midpoint-Foto im Kasten.
Gleich nebenan befindet sich die Bent Door Midway Station, ehemals Tommy‘s Cafe. Das Original Cafe, damals unter dem Namen Kozy Cottage Camp, wird 1947 von einem Feuer zerstört. Bald danach erwirbt Bob Harris, ein Angestellter von Kozy Cottage, das Gelände, um ein neues Café plus Phillips 66 Tankstelle zu eröffnen. Originell: er kauft bei einer Auktion kurzerhand den alten Kontrollturm eines Luftwaffenkorps und montiert ihn in das Gebäude. Daher auch der Name Bent Door, man kann die „geknickten“ Türen des alten Towers sehr gut erkennen.
Die neuen Besitzer Roy und Ramona Kiewert sind dabei, das Anwesen zu restaurieren und hoffen, es bald wieder eröffnen zu können. Genauso wie das Fabulous 40 Motel gleich nebenan. Inzwischen haben die Kiewerts das Anwesen wieder in Betrieb genommen, womit Adrian mit einer stilgerechten Übernachtungsmöglichkeit aufwarten kann. Auch dies ein Beispiel für den neu entflammten Unternehmergeist entlang der Route 66.
Und wieder Getreidesilos … jede Menge in diesem Abschnitt der 66. So auch in Adrian. Der Wasserturm darf natürlich nicht fehlen. Die Matadors sind verewigt und oben natürlich Adrians Markenzeichen: Route 66 Midpoint.