Der County Seat El Reno, ein paar Meilen westlich von Yukon, ist unser nächstes Ziel. Es erinnert nicht mehr viel an die Glanzzeiten der Route 66, die auch dieser frühen Oklahoma Land Run Siedlung wirtschaftlich gute Zeiten beschert hatte. Allerdings erinnert ein Crossroads of America Mural daran, dass die Stadt an einer Kreuzung der Route 66 mit dem schon im letzten Kapitel erwähnten Chisholm Trail liegt.
Jeden ersten Samstag im Mai findet in El Reno ein großes Burger-Essen statt: Im Rahmen des Fried Onion Burger Festivals wird ein Fleischklops enormer Dimension mit einem Haufen Zwiebeln produziert und an jeden verfüttert, der rechtzeitig HIER ruft. Wer‘s mag… Das Ganze geht auf eine Tradition zurück, die ihren Ursprung in den schlechten Zeiten der 1930er Jahre hat, als Zwiebeln dafür herhalten mussten, die begrenzten Fleischanteile in den Burgern zu „verlängern“ bzw. zu ersetzen.
Weniger unterhaltsam in der Gegend ist es am 31. Mai 2013, als ein Supertornado ein paar Meilen westlich der Stadt übers Land fegt. Es ist einer der heftigsten und größten Tornados, die jemals in den USA registriert wurden. Windgeschwindigkeiten von über 450 km/h werden gemessen. Und wie gefährlich das Storm Chasing sein kann, wird an diesem Tag nachdrücklich bewiesen. Vier Stormchaser kommen bei ihrer Jagd auf den Tornado ums Leben. Es sind keine leichtsinnigen Hobby Sturmjäger, sondern Forscher des TWISTEX Projektes (Tactical Weather-Instrumented Sampling in/near Tornadoes EXperiment), die im Dienste der Wissenschaft ihr Leben lassen. Es sind die ersten Opfer, die im Rahmen des Storm Chasing zu beklagen sind.
Wie man an den Fotos sehen kann, ist die Wetterlage bei unserer Reise im Mai vorigen Jahres immer noch kritisch. Wir befinden uns weiterhin in der Tornado Alley und die Tornado Saison ist in full swing. Unsere Blicke richten sich regelmäßig gen Himmel. Wer also im April-Mai auf Route 66 Reise ist, sollte dies im Auge behalten.
In El Reno kann man über ein Pre-1947 Alignment durch die Stadt fahren, wobei es nichts Besonderes zu sehen gibt. Der Vollständigkeit halber hier die Beschreibung: An der Kreuzung der 66 mit der Shepard Avenue rechts (nach Norden) abbiegen. Am Friedhof vorbei und dann links in die Elm Street. Dann wieder rechts auf die Rock Island Street, die uns durch Downtown führt.
Hierhin gelangen wir aber auch über die heutige 66, die hier die BL40 ist. An der Shepard Ave. geradeaus fahren bis in die Innenstadt. Dort links in die Wade Street. Zwei Blocks weiter in die Choctaw und dann wieder links auf den Sunset Drive, der uns als BL40 wieder aus der Stadt herausführt.
Nach ein paar Meilen stoßen wir auf die 270 und stehen wieder einmal vor einer Entscheidung. Welche Strecke nehmen wir? Die Pre-1933 Version? Dazu müssen wir jetzt hier nach Norden abbiegen. Oder bleiben wir auf der Post-1933 Strecke, die uns direkt nach Hydro führt? Natürlich fahren wir über beide Abschnitte! Sie sind es wert, vor allem die Pre-1933. Also zuerst auf die 270 nach Norden. Das alte Alignment bringt uns nach Calumet. Über dem kleinen Ort hängen tiefgraue Wolken, die Kulisse hat was.
Calumet – ein indianischer Begriff. Diejenigen von uns, die Karl May Bücher verschlungen haben, wissen wahrscheinlich, was das Wort französischen Ursprungs bedeutet: Friedenspfeife. Winnetou und seine indianischen Genossen haben ja des öfteren das Calumet bemüht, nachdem sie das Kriegsbeil begraben haben.
Die Calumet Chieftains, der örtliche Basketball-und-Baseball-Verein begrüßt uns mit einer hohen, weißen, mit einem Indianerkopf in voller Federpracht geschmückten Säule gleich am Ortseingang. Sie macht sich gut vor der grauen Drohkulisse am Himmel. Genauso wie der Wasserturm, der sich über der einzigen Tankstelle – General Store included – erhebt. Hier noch ein paar Eindrücke aus Calumet.
Wir fahren weiter auf der 270 (Old 66) Richtung Geary. Der Wind frischt auf, Regenschauer. Zwischendurch auch blaue Flecken am Himmel. Zur Rechten begleiten uns Eisenbahnschienen.
Geary ist ein 1200 Einwohner Dorf. Leere Straßen, kein Mensch zu sehen. Parkplatzsorgen haben sie hier nicht. Auch hier wieder ein fotogener Wasserturm. Es wird nicht der letzte sein. Vor dem Museum an der Main Street ein Caboose mit altem Amischlitten davor. Ein Stück weiter zur Rechten der rostige Eimer – Kim‘s Rusty Bucket – das ist ein Café.
Wir biegen auf die 281 nach Süden ab. Die Straße ist vierspurig. Wir bleiben für knapp sechs Meilen auf der 281, dann geht‘s rechts rein auf den Old US Hwy 66. Kann man leicht übersehen, der Abzweig kommt gleich hinter der Chisham Road.
Durch die Felder geht‘s bis man auf die 281 trifft. Hey, die hatten wir doch gerade schon. Stimmt, aber die Vierspurige heißt 281BUS, diese hier heißt nur 281. Außerdem auch Highway 8. Und eigentlich ist es die 66. Verwirrend mal wieder. Aber man findet sich zurecht. Und ein bisschen pfadfinderische Herausforderung kann ja auch nicht schaden.
Nun kommt eine sehr schöne Pony Bridge, die über den Canadian River führt. 38 kleine Träger (pony trusses) werden 1933 bei der Konstruktion der Brücke verbaut. 1,2 Kilometer ist sie lang und gehört sicher zu den schönsten Route 66 Brücken. Ein sehr schönes Fotomotiv. Interessant vielleicht, dass die Brücke eine Movie Location ist. Eine Szene aus John Ford‘s berühmten Film Früchte des Zorns – Grapes of Wrath wird hier gefilmt. Der Film nach Steinbeck‘s Romanvorlage handelt vom Schicksal der Okie-Familie Joad auf ihrem Weg über die Route 66 nach Westen und spielt zur Zeit der Oklahoma Dust Bowl. Die Szene, in der der Großvater der Familie stirbt und begraben wird, wird an dieser Pony Bridge, die damals gerade mal sechs Jahre alt ist, gedreht. Wenn man genau aufpasst, kann man die Brücke in der Filmszene im Hintergrund sehen.
Diesen Streckenabschnitt bekommt man auch mit, wenn man das alte Stück über Calumet und Geary auslässt.
Weiter westwärts trägt uns unsere Straße nach Hydro, wobei wir uns immer parallel zur I-40 bewegen. Das Örtchen liegt nicht direkt an der 66, aber wir fahren trotzdem mal rein, der Wasserturm reizt uns. Die 58 biegt rechts nach Hydro ab.
Zurück auf der 66 sind es nur ein paar Meter bis zu Lucille‘s, einem Route 66 Icon.
Die ehemalige Service Station steht inzwischen im National Register of Historic Places. Erbaut wird das Gebäude im Jahre 1929 von Carl Ditmore. Es ist eine sogenannte Mom & Pop Station, das heißt, die Besitzer betreiben das Geschäft als Familienbetrieb und wohnen direkt über den Geschäftsräumen. 1941 übernimmt die Familie Hamons die Tankstelle und Lucille Hamons, nach der sie benannt ist, führt sie bis zu ihrem Tod im Jahre 2000, also fast 60 Jahre lang. Lucille wird wegen ihrer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft an der Straße schnell bekannt und verdient sich den Spitznamen Mother of the Mother Road. Lucille hat keinen Nachfolger, die Tankstelle ist nicht mehr in Betrieb. Allerdings wird das Gebäude an den Außenseiten restauriert. Die alten Zapfsäulen sind noch erhalten und restauriert und erzählen von seligen Route 66 Zeiten.
Wahrscheinlich konnte die alte Tankstelle so lange überleben, weil sie ganz dicht an der Interstate 40 liegt, deren Bau so viele kleine Betriebe an der 66 ins Aus beförderte. So mancher Autoreisende mag den Exit bei Hydro genommen haben, um bei Lucille zu tanken. Route 66 und I-40 sind nur durch einige wenige Meter getrennt.
Übrigens: es gibt ein „neues“ „Lucille Roadhouse“ nur vier Meilen weiter westlich, wo man bestens zum Essen einkehren kann. Empfehlenswert.
Weiter oben haben wir erwähnt, dass wir durch den Schlenker über Calumet und Geary ein Stück der Post-1933 66 auslassen mussten. Den holen wir jetzt kurz nach. Also versetzen wir uns zurück an die Abzweigung der 270 und fahren nicht rechts ab, sondern geradeaus. Eigentlich gibt es nicht wirklich viel zu sehen hier, außer Landschaft. Plattes Land, grün. Die Interstate braust linker Hand vorbei. Und schon erreichen wir die Einmündung der 281, womit wir die oben beschriebene Route wieder erreicht haben.
Jetzt bleibt nichts anderes übrig, als zurück zu Lucille‘s zu fahren. Dazu kann man die Interstate nehmen, das spart ein paar Minuten. Oder eben noch einmal gemütlich über die Frontage Road 66 zockeln.
Der Himmel über Lucille‘s und Hydro ist schon recht spektakulär. Mammatus Wolken! Nicht ganz ohne, wie wir inzwischen wissen, denn: „Das Auftreten von Mammatus zeigt dem Beobachter heftige und mitunter gefährliche Prozesse in der Atmosphäre an. Das Vorhandensein trockener Luftschichten bei gleichzeitiger starker Niederschlagsbildung in der Wolkenoberseite deutet auf große Instabilität der Atmosphäre hin, zudem treten unter denselben Bedingungen heftige Downbursts auf. Mammatuswolken unter dem Amboss sommerlicher Gewitter deuten auf folgende Wettererscheinungen hin: Hagel mit eventuell großen Korngrößen, schwere Sturmböen entlang des Downdrafts, bei günstiger Scherung die Möglichkeit der Bildung von Gustnados und Tornados.“ – Ein Zitat aus Wetterzentrale.de
Was soll‘s, wir fahren weiter. Wird schon schief gehen.
Essen und Trinken: