Galena, Riverton, Baxter Springs – Cutting the Corner

Ganze 13 Meilen lang ist die Route 66 in Kansas. Klein, aber fein, könnte man sagen, zumindest, was die Originalität betrifft. Der Old 66 Boulevard, auf den wir ja gerade abgebogen sind, ist eine einfache, längst in die Jahre gekommene Landstraße. Ohne Mittel-und Seitenmarkierung, grauer Asphalt, gezeichnet von den Reifenspuren unzähliger Vehikel. Es gibt übrigens keine Interstate in Kansas. Normale Highways, Landstraßen eben, so wie die Route 66 es einmal war und hier in Kansas immer noch ist. Typisch auch die Stateline: Nur ein unauffälliger weißer Strich auf der der Straße, der inzwischen verblasst sein dürfte. Kein Schild, nichts. Nicht einmal ein „Welcome to Kansas“ oder „Welcome to the Sunflower State“. Ersatzweise steht ein „Welcome to Galena – A Happy Place“ am Straßenrand. „Happy“? Heute vielleicht …

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Dieses Stück ist ein original 1926 Alignment. Deshalb heißt dieser kurze Abschnitt OLD 66 Blvd. Klar, es gibt auch eine neuere Version und die führt an dem Abzweig auf den Old 66 Blvd vorbei immer der 7th Street entlang. Beide Strecken führen uns also in das Städtchen Galena. Bitte unbedingt die alte Strecke nehmen!

Erster Stopp in Kansas ist aber die State Line Bar auf der rechten Seite mit dem rot-weißen Budweiser Schild davor. Ab hier heißt die Straße Front Street. Sie trifft auf eine Bahnlinie, führt an einem ziemlich trostlosen und doch irgendwie pittoresken Gelände vorbei, überquert die Schienen mittels eines Viadukts, bevor sie die Main Street erreicht. Hier bitte scharf links abbiegen.

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Cut the Corner“ sagen die Amerikaner. Man schneidet sozusagen eine kleine Ecke von Kansas ab, wenn man die 66 entlang fährt. Und dann kann man Galena gar nicht vermeiden. Sollte man auch nicht. Muss man gesehen haben, dieses kleine Nest in der recht tristen Umgebung des südöstlichen Kansas. Dabei gibt‘s gar nicht viel zu sehen, nichts Besonderes zumindest. Den ollen Charme einer alten Bergbaustadt, den kann man mehr fühlen, als sehen. Vielleicht macht es genau das aus. Ein bisschen Gruseln kann man sich auch dort. Hier ist Blut geflossen. Und man kann sich das gut vorstellen, vorausgesetzt, man stellt seine eigene kleine Zeitmaschine auf die 1890er Jahre ein. Oder noch besser auf 1877, denn dann kann man die Stadtgründung miterleben.

Wie es weiter geht, steht hier: Klick

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Die Geschichte der Stadt ist im örtlichen Galena Mining and Historical Museum sehr schön dokumentiert. Liegt gleich an der Main Street rechts.

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In Galena war also richtig was los. Heute ist das Gegenteil der Fall. Trotzdem muss man hier anhalten, wenn man auf der Route 66 unterwegs ist. Denn da gibt es Cars on the Route, eine wunderschön restaurierte, ehemalige Kan-O-Tex Tankstelle.

Eigentlich heißt die neu gestaltete Tanke Four Women on the Road. Betty Courtney, Renee Charles, Judy Courtney und Melba Riggs erwerben das Gebäude vor einigen Jahren und machen es zu einer Tourist Attraction an der 66. Coffee und Gift Shop inklusive. Bei unserem Besuch ist von den vieren nur noch Melba übrig und das Ganze ist in Cars on the Route umbenannt worden und das nicht ganz ohne Hintergrund:

Kennt Ihr „Cars“? Ja klar, John Lasseter‘s Disney-Pixar Animationsfilm aus dem Jahr 2006. Die Geschichte von Lightning McQueen, Sally Carrera und Tow Mater (Hook) war ein großer Erfolg in den Kinos weltweit… und hat was zu tun mit der Route 66. Denn Lightning McQueen‘s Weg zum großen Rennen nach Los Angeles führt über die Route 66. Und es ist kein Zufall, dass fast alle Charaktere und Locations des Films lebende „Gegenstücke“ entlang der Mother Road haben.

Der Streifen erhielt den Golden Globe für den besten Animationsfilm, einen Grammy für den Song Our Town und war für zwei Oscars nominiert, hat aber leider keinen bekommen.

Der Film hat viel beigetragen zum Revival der Route 66. Entlang der gesamten Strecke findet man immer wieder Autos mit „Augen“ hinter den Windschutzscheiben. Ob in Seligman, Tucumcari oder Galena – watch out for Cars with Eyes. Der Original Tow Mater, also der Abschleppwagen, steht hier in Galena gleich neben der Tankstelle – man kann sich reinsetzen! Was wir natürlich gleich ausprobiert haben.

Melba ist ein echtes Original der Route 66. Sie erzählt jedem, der den Laden betritt alles, was er/sie hören möchte oder auch nicht hören möchte. Ihr Wortschwall ist nicht zu stoppen, die Niagara Fälle sind nichts dagegen. Aber sie tut es sicht-und hörbar gerne, die Leute lieben sie dafür. Einem ungeübten Ohr entgeht allerdings so mancher Gag oder auch mehr, denn wir Europäer sind nicht so gut in Kansas-Platt, schon gar nicht in diesem Tempo. Aber schön ist es bei Cars on the Route. Kürzlich ist Melba allerdings in Pension gegangen. Trotzdem, macht einen Stopp bei Cars on the Route und schaut nach, ob sie da ist. Wenn nicht … schade. Ein paar Souvenirs, ein Burger und ein Kaffee mögen Euch trösten.

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Die 66 verlässt Galena nach Westen Richtung Riverton. Hier befindet sich ein recht bekannter General Store, der eigentlich aussieht, wie alle General Stores, na ja nicht ganz. Er ist die größte Attraktion in Riverton. Gebaut im Jahre 1925, war der Eisler Brothers Store – so heißt der Laden – einst eine Standard Tankstelle. 1973 kaufen die Eislers das Geschäft und machen einen Market and Deli daraus. Man kann dort mal anhalten, das Gebäude ist sehr gut in Schuss und ein Old-Fashioned Deli Sandwich gibt es natürlich auch. Wir sind, ehrlich gesagt, vorbei gefahren und deshalb haben wir auch kein Foto. Man muss sich ja auch noch was für die nächste Tour aufsparen.

Am Ortsende, beim Kreisverkehr nicht auf die 400/Alt69, sondern geradeaus weiter fahren. Die 66 heißt hier Beasley Road. Sie macht gleich einen weiten Bogen nach links und von hier sieht man auf einem kleinen Stück Old „Parallel-66“ auf der rechten Seite eine kleine, weiße Brücke, die über den Brush Creek. Die Rainbow Bridge aus dem Jahr 1923 ist eine von drei verbliebenen „Marsh Arch“ Brücken in Kansas. Den Namen hat sie von ihrem Architekten. Man kann drüber fahren. Ein hübsches Fotomotiv ist die Brücke noch dazu. Ein schon etwas verwittertes Holzschild verkündet, dass die Brücke zwischen 1925 und 1968 in „Constant Use from Chicago to LA“ gewesen ist.

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Weiter geht‘s nach Baxter Springs. Wir biegen nach Süden ab, auf die South East 50, die in die Willow Avenue übergeht. An der Kreuzung mit der 2nd geht es nach links bis zur Military Avenue/US69. Dort nach rechts abbiegen und man befindet sich auf der Hauptstraße durch Baxter Springs. Dort, an der Ecke Military & 10th Street, erwartet uns die nächste restaurierte Tankstelle. Diesmal ist es wieder eine Philipps 66 aus den 1930er Jahren. Natürlich gibt es auch hier einen Route 66 Gift Shop.

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Und auch Baxter Springs hat so seine Geschichte. Als „One of the wildest Cow Towns in the West“ wird das im Jahre 1865 gegründete Städtchen bezeichnet. Schon vor der Stadtgründung zu Bürgerkriegszeiten ist einiges los in diesem Gebiet, das „Baxter Springs Massacre“ im Oktober 1863 ist wohl der Höhepunkt der vielen Guerilla Kämpfe jener Zeit. Die fast 100 Opfer liegen auf dem Baxter Springs Cemetery im Westen der Stadt begraben.

Nach der Stadtgründung entwickelt sich Baxter Springs sehr schnell zu einem Zentrum für den Viehhandel und müde Cowboys, die auf ihren staubigen Wegen hier gerne eine Erholungspause einlegen. Erholungspause? Na ja, wie man‘s nimmt. In den Saloons der Stadt fließt der Whisky reichlich, Zocken kann man auch, Bordelle sowieso. Jedes dritte „Business“ in der Stadt ist ein Saloon oder eine Spielhölle. Die „Ruhepausen“ gipfeln in jeder Menge Streit und Schießerei, den einen oder anderen knüpfen sie auch mal gern am nächsten Baum auf. Recht und Gesetz sind so gut wie nicht vorhanden.

1870 kommt die Eisenbahn, diesmal die Missouri, Kansas & Texas Railway. Inzwischen ist die Bevölkerung auf 6000 angewachsen. Allerdings schwanken diese Zahlen sehr, mal sind auch nur 800 Menschen in der Stadt. Angeblich sind bei einem Banküberfall im April 1876 auch die berühmten Revolverhelden Jesse und Frank James beteiligt, was aber von vielen Historikern bezweifelt wird. Der Banküberfall ist aber belegt und das betroffene ehemalige Gebäude der Crowell Bank beherbergt heute das mittlerweile geschlossene Cafe on the Route. Military Ecke 11th Street.

1926 kommt die Route 66 und damit die übliche, schon bekannte Entwicklung.
Und wenn schon nicht Jesse James, dann doch wenigstens Bonnie and Clyde! Die zwei Halunken „besuchen“ das Städtchen in den 1930ern gleich zweimal innerhalb nur einer Woche. Und jedes Mal bitten sie den Besitzer des Baxter Springs General Store zur Kasse. Lassen ihn aber am Leben, das ist doch schon mal was. Es gibt ein paar Museen in der Stadt, so wie historische Führungen, falls jemand an der Historie von Baxter Springs interessiert sein sollte.

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Für den eiligeren Route 66 Touristen empfiehlt sich aber trotzdem ein Stopp in Baxter Springs und zwar bei Angels on the Route – 1143 Military Avenue. Dort erwartet Euch Sue und ihr Frozen Custard, eine Art Eiscreme, die beste entlang der ganzen Route 66, wie Sue uns stolz verkündet. Wir können bestätigen, die Eiscreme ist wirklich ausgezeichnet!

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Das kleine Café an der Military Avenue, gehört Sue Gast, die bis vor kurzem ihre Gäste persönlich bedient hat. Inzwischen haben Alan and Cheri McCamey das Management übernommen, was aber dem Charme des kleinen Diners keinen Abbruch tut.
Hier gibt es alles, was das Herz bzw. der hungrige Magen begehrt.

Over a million travelers on Route 66. We have a lot from the United States, but we have a lot from Europe. We named it Angels on the Route because I believe in guardian angels and I have a little pocket angel buried out in the cement right when you walk through the doorway. So everybody passes their angel and hopes for safe travels on Route 66,“ said Sue Gast, Angels on the Route owner.

Hier könnt ihr sie, zumindest im Film persönlich erleben:

Klick

 

Update 14.05.2020:

Sue Gast hat sich mittlerweile aus dem Geschäft zurückgezogen, aber ist wohl immer noch die Besitzerin. Zwischendurch hatten andere das Geschäft weiter betrieben, aber sich ebenfalls wieder verabschiedet. Ob es zum jetzigen Zeitpunkt geöffnet ist und wer die jetzigen Betreiber sind, wissen wir leider nicht.

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Wer also auf der Route 66 unterwegs ist, sollte in Baxter Springs, Kansas, anhalten, durch die Straßen des Städtchens flanieren und natürlich Sue‘s Frozen Custard probieren.

Tja, und das war‘s schon mit Kansas und der Route 66. Wir haben die Grenze zu Oklahoma erreicht. Der Staat mit den, nach New Mexico, meisten original Route 66 Meilen. Über 430 an der Zahl.

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