Wir haben lange überlegt, ob wir hier im Blog ein Kapitel „Route 66 – Mile by Mile“ zusätzlich hinein nehmen sollen. Schließlich haben wir uns dafür entschieden und werden jetzt in unregelmäßigen Abständen die Route 66 von ihrem Ursprung in Chicago bis zum „End of Trail“ in Santa Monica möglichst genau beschreiben. Natürlich können wir nicht für Vollständigkeit garantieren, denn an der 66 gibt es immer wieder Neues (und Altes) zu entdecken. Wir versuchen aber unser Bestes, dem Leser einen weitgehend vollständigen Überblick samt Wegbeschreibungen zu vermitteln. Das Ganze wird mit vielen Fotos illustriert, die oft einen intensiveren Eindruck vermitteln, als das geschriebene Wort. Wir haben dafür die Kategorie „Meile für Meile“ eingerichtet, in der alle Beiträge zu finden sein werden.
Route 66 – für viele Amerikaner und inzwischen für Menschen in der ganzen Welt ein magischer Begriff. Ein amerikanisches „Trade Mark“ könnte man sagen. Jeder kennt die schwarz-weißen Schilder mit der 66 in der Mitte. Inzwischen wurden sie von braun-weißen bzw. blau-weißen, neuen Zeichen abgelöst. Denn die Route 66 ist „nur“ noch die „Historic Route 66“, also Geschichte. Eine recht lange und wechselhafte Geschichte.
Angefangen hat alles in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Wir wollen jetzt nicht auf die historischen Details eingehen, das würde zu weit führen und wäre wohl für die meisten kaum von Interesse. Deshalb nur so viel: Die Route 66 gibt es offiziell seit 1926. Cyrus Stevens Avery wird zum Vater der Route 66, als er in den frühen 1920er Jahren den Auftrag erhält, ein Straßensystem für die Vereinigten Staaten zu entwerfen und auch bauen zu lassen. Die wichtigste Straßenverbindung soll von Chicago aus zum Pazifischen Ozean führen. Es gibt schon einige Routen, wie den Santa Fe Trail oder die National Old Trails. Avery entscheidet sich für eine Streckenführung, die in etwa zwischen diesen beiden Routen verlaufen soll. Diese Strecke wird zur Route 66. Nicht in einem Rutsch, sondern nach und nach natürlich. Das Jahr 1926 wird als das Geburtsjahr der 66 angesehen und deshalb feiert die Straße in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag. Die Reisenden werden dies in vielfältiger Weise zu sehen bekommen, denn es sind jede Menge Festivals und andere Aktivitäten zur 90-Jahr-Feier angekündigt. 2016 ist also ein richtig gutes Jahr, um die Route 66 zu erleben. Eigentlich soll die Straße Route 60 heißen, aber die gibt es schon in Kentucky und Virginia. Es folgt ein längerer Streit zwischen den offiziellen Stellen dieser Staaten und der Kommission um Avery, die aber schließlich nachgibt und sich auf den Namen „Route 66“ einigt. Am Ende ist jeder glücklich mit dieser Bezeichnung, denn 66 klingt einfach besser als 60 und macht irgendwie mehr her. Und es reimt sich schon schön auf „Kicks“ – aber das ist eine andere Geschichte, die ihr hier nachlesen könnt: Get your kicks
Durch acht Bundesstaaten und drei Zeitzonen erstreckt sich die von John Steinbeck „Mother Road“, die Mutter aller Straßen, genannte Strecke. Sie hat im Laufe ihrer Geschichte viele Veränderungen des Streckenverlaufes gesehen, sogenannte „Alignments“, von denen viele heute kaum noch zu finden sind, weil sie ungebraucht von der Natur zurückerobert worden sind. Dort auf Spurensuche zu gehen, macht Spaß, regt den Entdeckergeist an – wir haben es erst kürzlich selbst getan und erlebt. Aber auch wer „nur“ über die 2448 Meilen lange Strecke zwischen Chicago und Los Angeles fährt, des öfteren den eigentlichen Verlauf suchen muss, wobei hilfreiche Guides in Buchform oder als Road Map zur Seite stehen müssen, wird kaum näher an das wirkliche Amerika gelangen können. So jedenfalls wird es oft beschrieben und wir können das nur bestätigen. Klar hat das Land unendlich viel zu bieten, den Südwesten mit seinen roten Felsen und grandiosen Landschaften, den Westen mit den Rockies, die Südstaaten, die Metropolen des Ostens. Aber nirgendwo ist man so nah dran am Puls Amerikas, wie an der Route 66 und ihrer Umgebung.
Die Menschen dort bilden eine regelrechte „Community“ – man kennt sich untereinander. Man weiß über alle Entwicklungen entlang der Straße Bescheid. Man zieht am selben Strang: die Route 66 wieder zu beleben, das Interesse bei den Besuchern aus aller Welt zu wecken und aufrecht zu erhalten. Von der Straße wieder leben zu können. Das gelingt nicht allen und nicht überall, aber die Zeichen stehen gut, dass die Situation sich wieder verbessert. Dass die Straße zur alten Gloria zurückfindet, ist unwahrscheinlich. Der Hauptverkehr geht natürlich über die fast parallel verlaufenden Interstates, die ja der eigentliche Grund für den Niedergang der Mother Road sind. Aber der touristische Verkehr wächst wieder, man kann schon sagen, er boomt. Was aber nicht bedeutet, dass man sich vor Touristen dort nicht retten kann. Die Straße ist lang genug, es „verläuft sich“ sozusagen – und das ist gut so. Klar gibt es ein paar Orte, an denen sich die Besucher an manchen Tagen oder Wochenenden auf den Füßen stehen. Oatman zum Beispiel, oder der Hackberry Store gehören dazu. Aber auch dort kehrt gegen Abend Ruhe ein, oder morgens ganz früh, wenn die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickt – dann ist man auch an diesen Orten meist allein. Man muss sich nur die Zeit dazu nehmen und das Motel auch mal zu früher Stunde verlassen. Es lohnt sich.
Man kann die 66 auf verschiedene Arten bereisen, am besten natürlich mit dem Mietwagen. Wir sind immer im SUV unterwegs, für alle Fälle, es könnte ja mal über Dirt Roads gehen bei der Erkundung der vergessenen Abschnitte. In der Regel ist das aber nicht nötig. Ein normales Auto genügt völlig. Oder darf es ein amerikanischer Oldtimer sein? Das geht auch, man schaue z.B. bei „rent-a-wreck“ nach. Da kann man solche Autos mieten und gemütlich über die Route 66 zockeln. Sich den Fahrtwind um die Ohren wehen lassen, so man ein offenes Coupé ergattert hat, oder dem Bollern der schweren Achtzylinder-Motoren der Chevrolets, Fords oder Oldsmobiles lauschen, die in den alten Straßenkreuzern ihre Arbeit verrichten. „Back to the fifties“ – die Musik sollte auch nicht fehlen, erhältlich in jedem Gift Shop. Die passenden Klamotten wären doch auch ganz schick, nicht wahr? All das gibt es und es wird immer mehr. Und deshalb hat die 66 wieder eine Zukunft. Ein bisschen Sorge bereiten die großen Tourbusse, meist gefüllt mit Touristen asiatischer Herkunft. Aber die fahren meist nur von Souvenirladen zu Souvenirladen, kaufen sich die Koffer voll und sind schnell wieder unterwegs. Für die 66 Industrie sind sie aber von nicht geringer Bedeutung, auch wenn sich das Kassenpersonal nach so mancher „Invasion“ den Schweiß von der Stirn wischt – aber mit einem Lächeln. Und nicht zu vergessen: Das Motorrad. Nein, nicht Motorrad … die Harley! Harley Davidson und Route 66 gehören einfach zusammen. Fast jeder, der mit dem Bike hier entlang fährt, tut das mit einer Maschine dieses Typs. Biker-Gruppen begegnen uns überall und immer wieder auf der Mother Road. Für ihre Fahrer erfüllt sich hier der Traum von Weite und Freiheit. „Easy Rider at its very best“. Wer es einmal selbst erleben möchte, dem empfehlen wir das hier: Route 66 Germany
Erwähnen möchten wir noch ein paar Namen, die mit der heutigen Route 66 eng verbunden sind, die sich für ihre Straße total engagieren.
Angel Delgadillo gilt als „Vater“ der heutigen Route 66. Der Friseur aus Seligman, Arizona hat unendlich viel für die Erhaltung und Wiederbelebung der Straße getan. Man trifft ihn heute immer noch in seinem Salon mit angeschlossenem Gift Shop, wo er immer lächelnd für ein Foto oder ein kurzes Gespräch bereit steht.
Michael Wallis hat viele Bücher geschrieben über die 66, darunter „Route 66 – The Mother Road“, eigentlich die „Bibel“ für Route 66 Interessenten.
Jerry McClanahan hat den bekanntesten und besten Reiseführer über die 66 verfasst, den EZ66 Guide for Travelers, der die Straße präzise beschreibt, und extrem hilfreich beim Suchen ist. Außerdem hat Jerry Bücher verfasst und bebildert und Gemälde und Prints im Stil der 50er Jahre geschaffen, die er in seiner Galerie in Chandler, Oklahoma verkauft.
Jim Hinckley ist der „Mr. 66“, stammt aus Kingman, Arizona. Autor vieler Bücher, Fotograf, Geschichtenerzähler, ein Mann, der die 66 zu seinem Lebenswerk gemacht hat.
Jim Ross, Fotograf und Buchautor, Shellee Graham, ebenfalls Fotografin und Autorin – sie zeichnen zusammen mit Jerry McClanahan für das Buch „Route 66 Sightings“ verantwortlich. Wunderschöne Fotografien, versehen mit informativen Texten aus den Erinnerungen der Autoren an ihre frühen Route 66 Zeiten.
Und es gibt noch so viele andere, die sich hauptberuflich, ehrenamtlich oder in ihrer Freizeit für die 66 einsetzen. Man findet sie in Museen, in den Chambers of Commerce – hier möchten wir besonders Ron Hart erwähnen, der die „Route 66 Chamber of Commerce“ in Carthage, Illinois ins Leben gerufen hat. Man findet sie in den klassischen Route 66 Motels wie dem Blue Swallow in Tucumcari, New Mexico, das von Kevin Mueller und seiner Familie in so großartiger Weise geleitet wird, oder der Canyon Lodge in Seligman, wo sich Reinhard (stammt aus Mainz) und Mike in so freundlicher Weise um ihre Gäste kümmern oder in den vielen Tourist Informations entlang der Strecke.
Last but not least wollen wir natürlich auch Nick Gerlich erwähnen, mit dem wir bei unserem letzten 66 Trip unterwegs waren und von dem wir viel über die Geschichte der Straße gelernt haben. Er kennt sich aus, wie kaum jemand und es wird Zeit, dass er sein Wissen öffentlich macht. Ein bisschen werden wir ihm dabei helfen ;-)
So, genug der Vorrede, es sollte langsam los gehen. Und dazu beamen wir uns jetzt unter dieses Schild:
Eigentlich sind wir ja hier falsch, denn die 66 beginnt in Wirklichkeit an Jackson Avenue und Lake Shore Drive, also gleich am Ufer des Michigan Sees. Aber wir wollen mal nicht so sein und starten dort, wo das Schild steht: Adams und Michigan.